13

Louis Machia, der erste Zeuge der Anklage, trat in den Zeugenstand und wurde vereidigt. Machia war treuer Soldat in Cavellos Klan gewesen. Er war groß und breitschultrig, hatte dichtes schwarzes Haar und trug ein graues Golfhemd.

Mit einem freundlichen Lächeln blickte er zu den Geschworenen und zur Presse, doch in Richtung Cavello kein einziges Mal.
»Guten Morgen, Mr. Machia«, begrüßte ihn US-Staatsanwalt Joel Goldenberger, während er sich erhob.
»Morgen, Mr. Goldenberger.«
»Können Sie uns Ihre gegenwärtige Adresse mitteilen, Mr. Machia?«, bat Goldenberger.
»Meine gegenwärtige Adresse ist das Bundesgefängnis. Leider kann ich nicht verraten, welches.«
»Ein Bundesgefängnis?« Der Staatsanwalt nickte. »Dann wurden Sie also, um es den Geschworenen zu verdeutlichen, wegen eines Verbrechens verurteilt?«
»Wegen vieler Verbrechen. Ich habe im Sinne der Vereinbarung 509 alle zugegeben.«
»Können Sie uns diese Verbrechen beschreiben? Wessen haben Sie sich schuldig bekannt?«
»Alle?« Machia kicherte. »Das würde aber lange dauern.«
Im Gerichtssaal wurde laut aufgelacht. Auch auf der Geschworenenbank. Selbst Richterin Seiderman legte eine Hand vor den Mund, um ein Lächeln zu verbergen.
»Wie war’s, wenn wir mit den wichtigsten anfangen, Mr. Machia?« Auch Joel Goldenberger grinste. »Die Höhepunkte, wenn Sie so wollen.«
»Die Höhepunkte …« Machia schürzte die Lippen. »Nun … Mord. Zwei Morde sogar. Versuchter Mord, bewaffneter Raubüberfall, Einbruch, Zinswucher, Drogenhandel, Autodiebstahl …«
»Das reicht schon, Mr. Machia. Sie hatten Recht, die Liste ist lang. Dann lässt sich also sagen, dass Sie eine ganze Zeit lang das Gesetz gebrochen haben?«
»Ziemlich genau ab dem Zeitpunkt, an dem ich gelernt habe, mit der Gabel zu essen.« Louis Machia nickte gedankenverloren.
»Und diese Verbrechen«, fuhr Goldenberger fort, »das sind alles Dinge, die Sie völlig selbstständig geplant und ausgeführt haben?«
»Manchmal, Mr. Goldenberger, wenn ich richtig verstehe, worauf Sie hinauswollen. Andere Male wurde mir gesagt, ich soll sie begehen.«
»Gesagt?«
»Befohlen, Mr. Goldenberger.« Machia nahm einen Schluck Wasser. »Vom Klan.«
»Der Klan.« Goldenberger trat auf den Zeugen zu. »Habe ich also Recht mit der Behauptung, dass Sie etwa während der letzten zwanzig Jahre ein Mitglied des organisierten Verbrechens waren?«
»Mit dieser Behauptung haben Sie sehr wohl Recht, Mr. Goldenberger. Ich war Soldat. Im Guarino-Klan.«
»Der Guarino-Klan. Euer Ehren, mit Ihrer Erlaubnis würde ich den Geschworenen gern ein Beweisstück zeigen.«
Einer der Assistenten des Staatsanwalts stellte vor den Geschworenen einen großen, mit Fotos gespickten Karton auf die Staffelei. Sie zeigten einen pyramidenähnlichen Stammbaum mit ungefähr fünfzig Gesichtern: unten die Soldaten, darüber die Captains und ganz oben die Anführer. Und dort hing Cavellos Gesicht, unter der Überschrift »Boss«.
»Ist dies die aktuelle Darstellung des Guarino-Klans, Mr. Machia?«
Machia nickte. »Ja. Zum Zeitpunkt meiner Verurteilung.«
»Und das dort sind Sie, oder? Dort links, bei denjenigen, die als Soldaten geführt werden.«
Er lächelte freundlich. »Es ist ein altes Bild. Nicht mein bestes. Aber ja, das bin ich.«
»Tut mir leid, Mr. Machia, das nächste Mal werden wir ein aktuelles nehmen. Mich interessiert, ob Sie immer ein Soldat in diesem Klan waren, Mr. Machia, oder mussten Sie sich hocharbeiten?«
»Jeder muss sich hocharbeiten. Ich kam über meinen Onkel Richie dazu. Ich fing mit kleineren Aufträgen an. Geld abholen, ein Auto klauen. Ein Einbruch.«
»Einbruch – was mussten Sie denn bei einem Einbruch tun?«
»Manchmal jemandem eins überbraten, damit er die Engel singen hört.«
Wieder wurde im Gerichtssaal gekichert.
»Und dann sind Sie aufgestiegen«, drängte Goldenberger. »Ich meine, von dem Kleinkram wie den Leuten eins überbraten zu ernsthafteren Verbrechen, die Sie gestanden haben. Mord, Mordversuch, Drogenhandel …«
»Ich bin aufgestiegen.« Machia nickte. »Das einzige Mal, dass ich es je zu was gebracht habe«, meinte er mit einem schiefen Lächeln.
Richterin Seiderman beugte sich vor. »Bitte beantworten Sie die Fragen des Staatsanwalts, Mr. Machia.«
»Danke, Euer Ehren.« Goldenberger warf einen Blick auf seine Notizen. »Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, wie Sie befördert wurden, Mr. Machia. Von einem normalen Mitarbeiter zu einem Soldaten. Wenn ich mich nicht täusche, heißt das, zu einem Soldaten ›gemacht‹ werden, oder?«
»Sie meinen die Zeremonie? Die fand im Melucchi’s auf der Fiatbush Avenue statt. Dort gibt es ein Hinterzimmer, wovon ich nichts wusste. Ich wurde gebeten, einen der Captains zu fahren. Frankie, die Briefmarke. Den haben wir so genannt, weil es zwei Frankies gab, und Frankie, die Briefmarke, war auf Postbetrug spezialisiert. Ich dachte, es wäre nur ein Treffen. Alle von den Captains waren da, auch Mr. Cavello.«
»Mit Mr. Cavello meinen Sie Dominic Cavello? Den Angeklagten? Er war dort? Bei diesem Treffen?«
»Natürlich war er da. Er war der Boss.«
Der Staatsanwalt ließ das Wort »Boss« im Gerichtssaal einen Moment wirken. »Darauf kommen wir später noch zurück«, sagte er schließlich. »Im Augenblick interessiert mich eher, wie Sie zu dieser Zeremonie kamen.«
»Wie ich zu dieser Zeremonie kam?« Machia zuckte mit den Schultern. »Mit einem Lincoln, glaube ich.«
Diesmal brach der Gerichtssaal in volles Lachen aus.
»Ich meinte, womit Sie sich diese Zeremonie verdient hatten, Mr. Machia«, übertönte Goldenberger das Lachen. »Bei der Sie befördert wurden.«
»Ach so.« Machia lehnte sich zurück und nahm gemächlich einen Schluck von seinem Wasser. »Ich hatte Sam Greenblatt vor seinem Haus umgebracht.«

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